Buchtipp: "Die vierundfünfzigste Passagierin"

Lisa, die biedere Büroangestellte, fühlt sich ausgebeutet und unverstanden. Eine Dienstreise wird zum Sprungbrett für die vermeintliche Freiheit. Sie kehrt dem Arbeitsalltag den Rücken. Die Flucht aus dem öden Dasein birgt allerdings ungeahnte Gefahren. Und Mona, die Lisa für ihre Lebensretterin hält, ist der Aussteigerin auf der Spur.

"Die vierundfünfzigste Passagierin", der erste Roman von Franca Orsetti, erschienen im UHUDLA-Verlag.

480 Seiten, Farbeinband. Euro 17,80. Erhältlich im guten Fachhandel oder direkt beim UHUDLA (Bestellformular)

Donnerstag, 22. Januar 2009

Kommissarin 5 - Kapitel 2

Kapitel 2
Ich sah nachdenklich von der Akte auf und überlegte. Frau Schmeißer war wieder einmal mit der Kaffeemaschine beschäftigt; mit Interesse studierte sie, wie die trübe Brühe zäh hinunter tropfte. Ich beobachtete die Kaffeezeremonien mit Skepsis. Denn ich befürchtete, dass die Damen mit dieser starken Benutzung bald ein weiteres Gerät verschleißen würden. Und dann wieder ihre Hoffnung auf handwerklichen Kenntnissen setzten. Nur leider kannte ich niemanden mehr, der eine solche Kaffeemaschine zu Hause stehen hatte.
Hoffentlich hatte Sandra ihrer Mutter nicht gesteckt, wie ich die Kaffeemaschine »repariert« hatte, schoss es mir entsetzt durch den Kopf. Sandra hatte bei ihrem Besuch im Büro lässig fallengelassen, welche ihre Lieblingslokale wären, an welchem Abend sie wo wäre. Diesmal hatte sie sogar die Wahrheit gesprochen, und als ich »zufällig« ihren Spuren folgte, traf ich sie in einem Lokal an. Der Abend war lang geworden, ich hatte viel geredet, um sie zu beeindrucken – und da hatte ich dummerweise mit der Geschichte angegeben.
Der Kaffee war durchgeronnen. »Na, endlich«, seufzte Frau Schmeißer, als hätte sie es nicht mehr erwarten können. Sie füllte den Kaffee in drei Tassen, reichte je eine an das »Frühstücksei«, das während der Zubereitung die ganze Zeit neben ihr gestanden war und die Maschine fixiert hatte, und an die dritte im (Kaffee-)Bunde, die einen bösen Blick zu ihrem Telefon warf, das sich erdreiste, genau in dem Moment zu läuten. »Müssen die gerade jetzt stören«, steckte sie ihre ganze Energie in ein Geschimpfe anstatt einfach abzuheben (wie sie es beim Handy, wenn ihr Mann oder ihre Schwester anriefen, auch mehrmals pro Tag tat). »Nie hat man seinen Frieden!«
Na ja, das stimmte nicht ganz. Obwohl sie ihre Arbeit als »fürchterlich stressig« darstellten, fand ich die Tätigkeit der drei Damen, die sich gerade den Kaffee zu Gemüte führten (das würde – wusste ich aus Erfahrung – mindestens eine halbe Stunde dauern) kaum fordernder als jene ihrer Kollegen in der Kopierstraße. Sobald es ein wenig anspruchsvoller wurde, werteten das die Beamtinnen als »außerhalb meiner Kompetenz« – und die Akte landete auf dem Steinerschen Tisch.
Alexandra Steiner war die Einzige in dem Zimmer, die tatsächlich intensiv arbeitete. Sie nahm auch nie an den Kaffeerunden teil (in der Früh erschien sie mit einem Plastikbecher vom Kaffeeautomaten in der Hand, um Zeit zu sparen), sondern hackelte, unter konsequenter Einhaltung einer Mittagspause in der Kantine von genau fünfzehn Minuten, von einer Uhrzeit am Morgen, zu der ich mich noch weit vom Büro entfernt befand, bis am frühen Abend.
Sie war es auch, die Arbeit für mich »gefunden« hatte.