Buchtipp: "Die vierundfünfzigste Passagierin"

Lisa, die biedere Büroangestellte, fühlt sich ausgebeutet und unverstanden. Eine Dienstreise wird zum Sprungbrett für die vermeintliche Freiheit. Sie kehrt dem Arbeitsalltag den Rücken. Die Flucht aus dem öden Dasein birgt allerdings ungeahnte Gefahren. Und Mona, die Lisa für ihre Lebensretterin hält, ist der Aussteigerin auf der Spur.

"Die vierundfünfzigste Passagierin", der erste Roman von Franca Orsetti, erschienen im UHUDLA-Verlag.

480 Seiten, Farbeinband. Euro 17,80. Erhältlich im guten Fachhandel oder direkt beim UHUDLA (Bestellformular)

Mittwoch, 4. Februar 2009

Kommissarin 12 - Zwischenkapitel

Akte III-1972.GHB 23.789-18621, Landeskrankenhaus Neunkirchen
Bewertung

Bereits nach oberflächlicher Prüfung der Akte kam ich zu dem Schluss, dass hier kein Verbrechen, sondern bestenfalls ein Versicherungsfall vorlag, der mittlerweile verjährt ist.
Am 13. Mai 1972 hatte eine Mitarbeiterin des Landeskrankenhauses Neunkirchen, Frau Silvia Berger, auf dem dortigen Parkplatz beim Ausparken ein Auto beschädigt. Außerdem soll die Frau beim Verlassen des Krankenhauses einen Pfleger überrannt und möglicherweise verletzt haben.
Ich nahm am 14. Juni 1999 mit meinem Vorgesetzten, Herrn Oberstudienrat DDr. Schleicher, Kontakt auf und teilte ihm meine Einschätzung mit, dass dieser Fall nicht in meine Kompetenz fiele und ich daher vorschlüge, die Akte an die zuständige Stelle zu retournieren. Herr Oberstudienrat DDr. Schleicher vertrat allerdings die Ansicht, dass der vorliegende Fall von mir zu bearbeiten wäre und eine abschließende Bewertung meinerseits benötige, bevor er einer aktenmäßigen Erfassung und Ablage zugeführt werden könne.
Daher nutzte ich die letzten Jahre, um tiefer gehende Recherchen zu dem Fall durchzuführen, die allerdings lange Zeit keine fruchtbringenden Ergebnisse zeigten. Schließlich gelang es mir, dank intensiver Gespräche im Landeskrankenhaus Neunkirchen den Sachverhalt aufzuklären:
Frau Silvia Berger war von 1969 bis 1976 als Krankenschwester im Landeskrankenhaus Neunkirchen angestellt. Am gegenständlichen Tag war sie auf Grund hoher Arbeitsbelastung stark nervlich angespannt. Beim Verlassen des Krankenhauses lief der Mitarbeiterin ihr damaliger Freund, dessen Name nicht mehr recherchiert werden konnte, über den Weg. Er wollte sie abholen. Angeblich lehnte dies aber Frau Berger ab; sie fühlte sich von dem Liebesdienst bevormundet. Daher war es dem jungen Mann auf einmal peinlich, Frau Berger gegenüber, die laut Augenzeugen gereizt reagierte, zuzugeben, dass sie der wahre Grund für sein Erscheinen im Krankenhaus war. Er gab vor, einen Arzt, der ihm einige Jahre zuvor den Blinddarm entfernt hatte, besuchen zu wollen. Da dessen Pensionierung einige Wochen zuvor prominent in der lokalen Zeitung angekündigt worden war (und es die halbe Stadt wusste), nahm die Krankenschwester die Ausrede als das, was sie war: durchsichtig. Wütend stürmte sie von dannen. Dass sie dabei einen Krankenpfleger oder sonst jemanden über den Haufen gerannt hätte, kann nicht bestätigt werden. Beim Wegfahren rammte sie, wie bekannt, ein Auto.
Fazit: In meiner Eigenschaft als Verantwortliche der »Abteilung für die Aufklärung ungelöster Fälle«, der mir laut meinem ehemaligen, mittlerweile pensionierten Vorgesetzten, Herrn Oberstudienrat a. D. DDr. Schleicher die Zuständigkeit für diesen Fall obliegt, sehe ich den Unfall, der in der Kategorie »harmloser Blechschaden« einzustufen ist, als Folge der vorangegangenen Aufregung. Ob der Seelenzustand von Frau Berger in Bezug auf den Versicherungsfall von Relevanz ist, liegt, ebenso wie das Wissen über dessen sachgemäße Abwicklung, außerhalb meiner Kompetenz.
Ich habe somit meinen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes geleistet und ersuche daher um Schließung der Akte III-1972.GHB 23.789-18621, Landeskrankenhaus Neunkirchen sowie um deren aktenmäßige Veranlassung.
Wien, 30. Oktober 2003 Kommissarin K. Breugel